Mit dem Rücken zur Tanzfläche sitzt ein Israeli mit Vollbart und langen lockigen Haaren. Er schaut Fischern zu, die im Dunklen ein Fischernetz aus dem Meer ziehen. Er heißt Aviv Melzer. Vor drei Monaten ist er nach Goa gekommen, »und irgendwie bin ich hier hängen geblieben«. Es klingt traurig. Aviv erzählt, dass sein Vater ein »sehr hoher Offizier« in der israelischen Armee sei, für ihn sei es daher logisch gewesen, auch in die Armee zu gehen. Er war in einer Eliteeinheit. Heute fragt er sich, was die Armee mit ihm gemacht habe. Er erzählt vom jüngsten Gaza-Krieg: »Das war wie im Film. Wir haben um unser Leben geschossen, ich habe viel Blut gesehen.« Bilder vom Krieg kämen ihm in Träumen hoch, »ausgerechnet hier«, sagt er. In den Augen der vielen anderen Israelis in Goa (Indien) könne er »eine Verrücktheit erkennen, die ich auch besitze«.
Zwei streunende Hunde haben sich neben Aviv in den Sand gelegt. Er sagt, es sei ein schmaler Grat zwischen Verrücktsein und Heilsein, wenn man aus der Armee entlassen werde. »Man hat uns als Kinder in die Armee geschickt, und wir mussten schreckliche Dinge tun.« Aviv will nun zum Dalai Lama ins nordindische Dharamsala fahren. »Das tut mir vielleicht gut.« Dann sagt er, er wolle jetzt lieber alleine bleiben, und verabschiedet sich mit der Frage: »Warum haben wir in Israel nicht so einen wie den Dalai Lama?«
(aus der »Süddeutschen Zeitung« vom 13./14.3.2010)